Horrorfilm-Remakes haben einen schlechten Ruf und oft zu Recht. Doch es gibt Ausnahmen. Manche Neuauflagen nehmen eine bekannte Geschichte und entwickeln daraus etwas Eigenständiges, manchmal sogar Besseres. Mir geht es dabei nicht darum die Originalfilme schlechtzureden. Viele von ihnen sind Meilensteine ihrer Zeit und haben das Genre entscheidend geprägt. Doch die folgenden sechs Filme haben für mich einen höheren Sehgenuss als ihre Vorlagen, vor allem durch ihr strafferes Pacing und ihre moderne technische Umsetzung. Sie wiederholen nicht einfach Bekanntes, sondern eröffnen neue Blickwinkel, greifen Themen ihrer Zeit auf und erzählen alte Geschichten so, dass sie für ein neues Publikum relevant werden. Genau das macht für mich ein gelungenes Remake aus.
Filme
I – The Thing: Warum John Carpenters Remake von 1982 das Original übertrifft
II – The Fly: Cronenbergs Body-Horror-Meisterwerk
III – Dawn of the Dead: Zack Snyders gnadenlose Neuauflage
IV – The Texas Chainsaw Massacre: Vom Backwoods-Schocker zum modernen Terror-Horror
V – The Hills Have Eyes: Von Cravens Klassiker zu Ajas brutalem Remake
VI – Suspiria: Guadagninos düstere Neuinterpretation des Hexenklassikers
Härtegrad-Skala
1 = harmlos (kaum Gewalt, wenig belastend)
2 = leicht (einige Schockmomente, minimale Gewalt)
3 = mittel (deutliche Gewalt, einzelne grafische Szenen)
4 = hart (explizite Gewalt, verstörende Inhalte)
5 = extrem (sehr grafische Gewalt, psychisch stark belastend)
The Thing (from Another World)
Warum John Carpenters Remake von 1982 das Original übertrifft

Original (1951)

Regie: Christian Nyby (oft Howard Hawks zugeschrieben)
Das Original ist klassischer Sci-Fi-Horror der 50er Jahre. The Thing from Another World erzählt von Wissenschaftlern, die in einer Arktisstation auf ein eingefrorenes Alien stossen, das bald Jagd auf sie macht. Der Film ist stark von seiner Zeit geprägt. Wissenschaft trifft auf Militär, Heldenmut trifft auf das Unbekannte. Das Monster bleibt ein klarer Feind von aussen und die Figuren folgen klassischen Rollenmustern. Für die 50er war das durchaus spannend, heute wirkt der Film jedoch zahm und vorhersehbar.
Härtegrad
klassischer Monsterfilm ohne explizite Gewalt.

Remake (1982)

Regie: John Carpenter
Carpenters Neuinterpretation ist kompromissloser Survival-Horror mit starkem psychologischem Einschlag. Sein The Thing ist kein Abenteuer-Sci-Fi, sondern ein Horrorfilm, der Paranoia und Isolation ins Zentrum rückt. Das Monster ist ein formwandelnder Parasit, der jede Figur übernehmen kann, wodurch niemand mehr weiss, wem er trauen kann. Carpenter entzieht dem Film jede Heldenpose und ersetzt sie durch bedrückende Ausweglosigkeit. Hinzu kommen bahnbrechende praktische Effekte des damals erst 22-jährigen Rob Bottin, die bis heute als Meilenstein des Creature Designs gelten. Inspiriert von John W. Campbells Novelle Who Goes There? und den Paranoia-Erzählungen des Kalten Krieges schuf Carpenter einen Film, der das Gefühl totaler Bedrohung von innen heraus perfekt einfängt. Obwohl er an den Kinokassen floppte, entwickelte er sich später zu einem Kultklassiker und beeinflusste unzählige spätere Werke über Paranoia und Isolation.
Härtegrad
sehr explizite Mutations- und Effektszenen, bedrückende Atmosphäre.
The Fly
Cronenbergs Body-Horror-Meisterwerk

Original (1958)

Regie: Kurt Neumann
Das Original ist eine Mischung aus klassischem Monsterfilm und Sci-Fi-Drama. Die Fliege erzählt die tragische Geschichte eines Wissenschaftlers, der bei einem Teleportationsexperiment versehentlich mit einer Fliege verschmilzt. Der Film kombiniert Moralbotschaften mit tragischen Elementen und war für seine Zeit ein Publikumserfolg. Besonders das simple, fast naiv wirkende Design der Kreatur erinnert heute eher an eine Kuriosität als an echten Horror.
Härtegrad
wenige Schockmomente, keine grafische Gewalt.

Remake (1986)

Regie: David Cronenberg
David Cronenberg machte aus der Geschichte einen ikonischen Body-Horror. Statt einer plötzlichen Verwandlung erleben wir einen schleichenden körperlichen und geistigen Verfall. Jeff Goldblum spielt Seth Brundle so überzeugend, dass man nicht nur Ekel empfindet, sondern auch tiefe Tragik. Cronenberg verankerte den Film in den Ängsten seiner Zeit. Viele sahen in der körperlichen Mutation eine Metapher für Aids und andere unheilbare Krankheiten der 80er. Cronenberg, bekannt für seine Faszination für Körperhorror und das Auflösen menschlicher Identität, erschuf damit ein Werk, das weit über Horror hinausreicht und als bittere Parabel über Krankheit und Selbstzerstörung gelesen werden kann.
Härtegrad
intensiver Body-Horror, grafische Verwandlungsszenen.
Dawn of the Dead
Zack Snyders gnadenlose Neuauflage

Original (1978)

Regie: George A. Romero
Romeros Werk ist prägender Zombie-Horror mit gesellschaftskritischem Unterton. In einem Einkaufszentrum verschanzt sich eine kleine Gruppe Überlebender und wird von Untoten belagert. Der Film ist ein scharfer Kommentar zum Konsumwahn der 70er. Die Zombies, die gedankenlos durch die Mall schlurfen, wirken wie Spiegelbilder der amerikanischen Gesellschaft. Das langsame Tempo und die fast archetypischen Figuren machen ihn zu einer bitteren Satire, die den modernen Zombiefilm definierte. Ohne Romero gäbe es das Zombiegenre, wie wir es heute kennen, nicht. Seine Interpretation der Untoten, als menschenfressende Horden, eingebettet in apokalyptische Szenarien, legte das Fundament für alles, was danach kam.
[Romeros Vermächtnis]
Härtegrad
blutige, aber vergleichsweise handzahme Splattereffekte.

Remake (2004)

Regie: Zack Snyder
Snyders Neuauflage ist schneller, härter und actiongeladener Survival-Horror. Er verzichtete bewusst auf den satirischen Ansatz und schuf ein atemloses Überlebensdrama. Seine Zombies sind schnell, brutal und gnadenlos. Der Fokus liegt weniger auf Gesellschaftskritik und mehr auf unmittelbarem Terror und emotionaler Wucht. Snyder schuf damit nicht nur ein rasanteres Remake, sondern prägte die moderne Darstellung von Zombies, wie man sie später in Filmen wie World War Z oder auch 28 Days Later wiederfindet. Mir ist bewusst, dass es sich in 28 Days Later streng genommen nicht um Untote handelt, aber der Ton und das Motiv der Infektion durch Biss sind so nah am modernen Zombiehorror, dass sich der Vergleich aufdrängt.
Härtegrad
brutale Actionsequenzen und aggressive Gewaltspitzen
The Texas Chainsaw Massacre
Vom Backwoods-Schocker zum modernen Terror-Horror

Original (1974)

Regie: Tobe Hooper
Hoopers Original ist kompromissloser Backwoods-Horror mit dokumentarischem Anstrich. Gedreht unter miserablen Bedingungen und mit kaum Budget vermittelt der Film eine fast dokumentarische Authentizität. Hooper bewarb ihn damals bewusst so, als basiere er auf wahren Begebenheiten, um die Wirkung zu verstärken. Eine Strategie, die das Publikum nachhaltig verstörte. Leatherface ist hier kein Slasher-Superstar, sondern ein groteskes Produkt einer verrohten Familie. Inspirationen wie die Taten des Serienmörders Ed Gein, der Leichenteile für Möbel und Masken verwendete, sind im Film klar erkennbar. Die politischen Untertöne sind deutlich. Er spiegelt Ängste vor der Entfremdung im ländlichen Amerika und der Zerbrechlichkeit der sozialen Ordnung wider.
Härtegrad
psychisch extrem belastend, aber wenig grafische Gewalt.

Remake (2003)

Regie: Marcus Nispel
Marcus Nispel verwandelte den Stoff in einen visuell stilisierten Terror-Horror, der emotional heftiger wirkt. Mit sepiafarbenen Bildern und einer klaustrophobischen Kameraarbeit wirkt das Remake wie ein Fiebertraum. Leatherface erscheint nicht mehr wie ein Mensch, sondern wie eine Naturgewalt. Damit schuf Nispel einen Film, der weniger dokumentarisch, aber emotional heftiger und visuell kompromissloser ist. Er trug damit auch zur Welle der Slasher-Remakes der 2000er bei.
Härtegrad
explizite Gewalt, düstere Atmosphäre und visuelle Intensität.
The Hills Have Eyes
Von Cravens Klassiker zu Ajas brutalem Remake

Original (1977)

Regie: Wes Craven
Cravens Wüstenschocker ist roher Survival-Horror und ein Abgesang auf die amerikanische Vorstadtidylle. Eine bürgerliche Familie trifft in der Einöde auf eine Gruppe von Mutanten, und ihre Zivilisiertheit bricht in kürzester Zeit zusammen. Die Geschichte ist inspiriert von der schottischen Legende der Sawney-Beane-Sippe, die angeblich über Generationen hinweg Menschen in einer Höhle gefangen hielt und verspeiste. Damit verbindet der Film alte Kannibalenmythen mit zeitgenössischer Gesellschaftskritik.
Härtegrad
rohe Gewalt, aber stilistisch zurückhaltend.

Remake (2006)

Regie: Alexandre Aja
Alexandre Aja verwandelte das rohe Original in einen gnadenlosen extremen Terror-Horror. Seine Version ist härter, brutaler und verzweifelter. Aja steigert die Grausamkeit nicht, um billigen Schock zu erzeugen, sondern um die Perspektive der Opfer unerträglich greifbar zu machen. Gleichzeitig verleiht er den Mutanten tragische Züge und erweitert die gesellschaftliche Dimension. Die Botschaft über den Verlust menschlicher Zivilisiertheit wird zur unerbittlichen Erfahrung.
Härtegrad
extrem brutale und verstörende Szenen, hohe Intensität.
Suspiria
Guadagninos düstere Neuinterpretation des Hexenklassikers

Original (1977)

Regie: Dario Argento
Argentos Suspiria ist ein fiebriger okkult-surrealer Horrorfilm voller knalliger Farben, grotesker Morde und traumartiger Hexenbilder. Die Handlung ist zweitrangig, die Atmosphäre dafür einzigartig. Argento schuf ein Kunstwerk, das Popkultur und Avantgarde miteinander verschmelzen lässt. Der Soundtrack von Goblin und die Farbdramaturgie sind bis heute stilprägend.
Härtegrad
stilisierte Gewalt, aber wenig explizit.

Remake (2006)

Regie: Luca Guadagnino
Guadagninos Version ist ein okkultes Horror-Drama mit starker politischer Dimension. Statt knalliger Farben gibt es kalte Grautöne, statt Traumlogik eine komplexe Erzählung über Schuld, Trauma und Machtstrukturen im geteilten Berlin der 70er Jahre. Guadagnino verknüpft Hexenkunst mit historischen Themen und feministischer Selbstermächtigung. Die Einbettung in die RAF-Zeit und die Auseinandersetzung mit deutscher Nachkriegsgeschichte verleihen dem Film zusätzliche Schwere und Kontext. Damit schuf er eine gleichwertige, eigenständige Vision, die ebenso diskutiert wie gefeiert wird.
Härtegrad
teils explizite, verstörende Szenen, psychologisch belastend.
Weitere erwähnenswerte Remakes
Evil Dead (2013)
Regie: Fede Álvarez
Ein kompromisslos blutiges Reboot, das den Spirit von Sam Raimis Kultklassiker erhält, aber das Grauen in eine noch explizitere, ernstere Richtung führt.
Härtegrad
Let Me In (2010)
Regie: Matt Reeves
Ein überraschend gelungenes US-Remake des schwedischen Let the Right One In. Emotionaler und polierter, aber nah genug an der Vorlage, um die Essenz zu bewahren.
Härtegrad
Maniac (2012)
Regie: Franck Khalfoun
Ein radikales Remake des 80er-Slashers, komplett aus der Egoperspektive erzählt. Verstörend intim und mit starkem Nicolas-Winding-Refn-Einschlag.
Härtegrad
The Crazies (2010)
Regie: Breck Eisner
Ein Update von Romeros 1973er Film. Glatter, aber auch spannender und moderner inszeniert, mit einer spürbaren Bedrohung durch staatliche Gewalt.
Härtegrad
The Last House on the Left (2009)
Regie: Dennis Iliadis
Eine modernisierte Neuauflage von Wes Cravens Skandalfilm von 1972. Während das Original als schmutziger, provokativer Exploitation-Schocker galt, setzt das Remake auf bessere Darsteller, eine durchdachtere Dramaturgie und eine emotionalere Inszenierung. Der Film bleibt brutal und verstörend und ist ebenso wie das Original stark umstritten. Beide Versionen enthalten explizite Darstellungen sexueller Gewalt und sind nicht für Zuschauer:innen geeignet, die solche Themen nicht ertragen oder selbst Erfahrungen damit gemacht haben.
Härtegrad
Romeros Vermächtnis
George A. Romero hat mit Night of the Living Dead nicht nur ein neues Subgenre erschaffen, sondern dessen Spielregeln festgelegt. Ohne ihn gäbe es das Zombiegenre, wie wir es heute kennen, nicht. Seine Filme definierten Zombies als menschenfressende Horden, verknüpften sie mit apokalyptischen Szenarien und nutzten sie als Spiegel gesellschaftlicher Missstände. Dieses Fundament beeinflusst bis heute alles, was nach ihm kam. Von modernen Remakes über Filme wie World War Z bis zu Videospielreihen wie Resident Evil und The Last of Us. Auch die spätere Entwicklung hin zu schnelleren, viralen Varianten des Zombies, wie man sie in 28 Days Later oder Snyders Dawn of the Dead sieht, wäre ohne Romeros Grundidee nicht denkbar.