New French Extremity Filme: Die brutale Filmkunst der Ehrlichkeit

New French Extremity

Einleitung

Die New French Extremity Filme bezeichnen eine Welle französischer Produktionen, die zwischen Ende der 1990er und etwa 2010 entstanden sind. Sie verbindet kompromisslose Gewalt, explizite Sexualität und schonungslose Körperdarstellungen mit künstlerischem Anspruch.
Massentauglich ist dieses Kino nicht, eher so etwas wie ein filmischer Härtetest. Wer sich darauf einlässt, weiss oft vorher nicht, ob er am Ende fasziniert oder traumatisiert den Abspann anschaut. Skandalfilme reihen sich hier aneinander und tauchen mit schöner Regelmässigkeit in Listen wie «Die verstörendsten Filme aller Zeiten» auf.

Das Markenzeichen der Bewegung ist eine schonungslose Ehrlichkeit, die keine Rücksicht auf empfindliche Zuschauer nimmt. Genau das ruft ihre Gegner auf den Plan. In den USA sind es primär konservative Moralorganisationen wie Parents Television Council, Focus on the Family oder American Family Association. In Europa sind es staatliche Prüfstellen wie die BBFC in Grossbritannien, die FSK oder die BPjM in Deutschland sowie kirchliche Gruppen.
In Frankreich führte diese Konfrontation zu juristischen und politischen Kontroversen. Ein prominentes Beispiel ist die rechte Lobbygruppe Promouvoir, die gegen den feministischen Skandalfilm Baise-moi (2000) klagte, um eine X-Freigabe zu erzwingen, was praktisch einem Kinoverbot gleichgekommen wäre [The Guardian, ScreenDaily]. Auch Martyrs (2008) erhielt zunächst die strengste Altersfreigabe 18+, bevor Regisseure und die Société des Réalisateurs de Films protestierten und eine Herabstufung auf 16+ erreichten [Wikipedia].

Kritiker schwanken oft zwischen Bewunderung und Abneigung. Die einen sehen in vielen dieser Werke mutige, künstlerisch brillante Grenzüberschreitungen. Die anderen halten sie für kalkulierte Provokationen, die nur vorgeben, als hätten sie etwas Tiefgründiges zu sagen, während sie in Wahrheit vor allem schockieren wollen.

Hot Take!

Für mich persönlich steht fest: Ich ziehe die New French Extremity dem amerikanischen Horrorkino jederzeit vor. Ein Martyrs steht für mich über einem Halloween oder Friday the 13th, wenn ich einen Horrorabend machen will. Wo viele US-Produktionen auf sichere Jump Scares und Franchise-Formeln setzen, geht die NFE ans Eingemachte. Die New French Extremity ist kompromisslos, unbequem und oft nachhaltiger in ihrer Wirkung.


James Quandt und die Geburt des Begriffs New French Extremity

Der kanadische Kritiker James Quandt prägte den Begriff, der heute für einige der kompromisslosesten New French Extremity Filme steht. Er meinte ihn ausdrücklich nicht als Kompliment. Quandt kritisierte eine Gruppe französischer Regisseure, die seiner Ansicht nach Gewalt, Sex und Tabubrüche in selbstzweckhafter Weise mischten. Er sah darin eine Übersteigerung des sogenannten Cinéma du corps (Körperkino), das seit den 70ern existierte, nun aber in eine radikalere, explizitere Form überging.

„Images and subjects once the provenance of splatter films, exploitation flicks, and porn—gang rapes, bashings and slashings and blindings, hard-ons and vulvas, cannibalism, sadomasochism and incest, fucking and fisting, sluices of cum and gore…“
James Quandt – Flesh & Blood: Sex and violence in recent french cinema

Ironischerweise nahmen Filmfans und Journalisten den Begriff auf und machten ihn zum Markenzeichen für einige der kompromisslosesten und einflussreichsten Werke im modernen Horrorkino.


Die Juwelen der New French Extremity

Diese Filme sind die Aushängeschilder der Bewegung. Keine gemütlichen Grusler, die man mit Popcorn wegkonsumiert, sondern Werke, die an die Substanz gehen. Sie tun das, weil sie den Zuschauer nicht wie ein Freizeitpark Slasher kurz erschrecken und dann freundlich nach Hause schicken, sondern weil sie sich tief in moralische, psychologische und körperliche Grenzerfahrungen verbeissen. Gewalt wird nicht als harmloses Spektakel aus sicherer Distanz serviert, sondern so unmittelbar und realistisch, dass man sie fast körperlich spürt und oft noch Tage später im Kopf mit sich herumträgt.

Trotz dieser Schonungslosigkeit sind sie Juwelen des Kinos, weil sie visuell, erzählerisch und schauspielerisch auf höchstem Niveau arbeiten. Hinter jedem Schock steckt eine bewusste Regieentscheidung, kein blosses Schielen nach Effekten. Kameraführung, Schnitt und Sounddesign sind oft so präzise gesetzt, dass sie selbst dann beeindrucken, wenn man den Blick am liebsten abwenden würde.

Es ist nicht einfach Exploitation, weil die Gewalt nicht Selbstzweck ist. Sie wird eingesetzt, um Themen wie Trauma, Schuld, Überleben, menschliche Abgründe oder philosophische Fragen nach Leid und Transzendenz zu verhandeln. Während Exploitation Filme oft nur auf den schnellen Reiz setzen, wie etwa Cannibal Holocaust, Hostel, Blood Feast, The Human Centipede 2 oder Nekromantik, gibt es auch Grenzfälle wie I Spit on Your Grave. Viele Kritiker stufen ihn als Exploitation ein, andere sehen in ihm trotz seiner extremen und voyeuristisch wirkenden Darstellung ein ernst gemeintes Werk über Trauma und Vergeltung. Die New French Extremity dagegen will den Zuschauer nicht nur schocken, sondern ihn auch konfrontieren und zum Nachdenken bringen.

Bewertungskriterien

Die Relevanz 🎬 eines Films beschreibt seinen Einfluss, seine Bedeutung und seine künstlerische Wichtigkeit innerhalb der New French Extremity. Sie hat nichts mit Mainstream-Bekanntheit zu tun. Ein Werk kann also eine hohe Relevanz haben, auch wenn es ausserhalb der Szene nur wenige kennen.
Die physische Härte 🩸 misst die Intensität der gezeigten grafischen Gewalt, wobei Terrifier 2 als Referenz für 5/5 gilt. Dieser Film ist berüchtigt für extrem explizite und langgezogene Gewaltszenen, die in ihrer Detailliertheit selbst erfahrene Horrorfans an ihre Grenzen bringen.
Die psychische Härte 🧠 bewertet dagegen die emotionale und mentale Belastung. Als Referenz für 5/5 dient Requiem for a Dream, der nahezu ohne physische Gewalt auskommt, den Zuschauer jedoch mit einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale aus Hoffnungslosigkeit, Abhängigkeit und seelischem Zerfall konfrontiert, die lange nachwirkt.


7 Aushängeschilder der New French Extremity

Diese New French Extremity Filme sind die bekanntesten Vertreter der Bewegung.

Martyrs

Bildquelle: TMDB

Martyrs von Pascal Laugier aus dem Jahre 2008 bedient Themen wie Folter, spirituelle Transzendenz, Trauma und Rache. Eine Frau nimmt Rache an ihren Kindheitspeinigern und gerät in die Gewalt einer geheimen Organisation, die Folter als Weg zur Erleuchtung nutzt.
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Die einen loben den philosophischen Unterbau und sehen Martyrs als seltene Verbindung von Extremhorror und existenziellen Fragen. Andere halten die Philosophie für pseudotiefgründig und argumentieren, dass der Film nur hochstilisierte Exploitation sei.
Höhe und Endpunkt der NFE. Er gilt als relevant, weil er kompromisslose Gewalt mit philosophischer Ambition verbindet, international für Kontroversen sorgte und oft als einer der verstörendsten Horrorfilme überhaupt genannt wird.

Triggerwarnung
Extreme Folterszenen, psychischer Terror, Blut, realistische Gewaltdarstellungen, Suizid.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬🎬🎬
Schlüsselwerk, verbindet extreme Gewalt mit existenzieller Philosophie, prägt die Wahrnehmung der NFE weltweit

Physische Härte:🩸🩸🩸🩸🩸
Maximale grafische Gewalt, verstörend explizit

Psychische Härte: 🧠🧠🧠🧠🧠
Existenzielle Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit


À l’intérieur (Inside)

Bildquelle: TMDB

À l’intérieur (Inside) von Alexandre Bustillo und Julien Maury aus dem Jahre 2007 bedient Themen wie Isolation, Mutterschaft, Gewalt und Überlebenskampf. Eine schwangere Frau wird von einer mysteriösen Angreiferin in ihrem Haus belagert, die um jeden Preis an ihr ungeborenes Kind will.
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Gelobt für die kompromisslose Spannung und die strenge Inszenierung, kritisiert wegen der extremen Gewaltspitzen, die manchen als Selbstzweck erscheinen.
Klaustrophobische Home Invasion und Schlüsselwerk der NFE. Der Film gilt als Schlüsselwerk, weil er mehrere Kernelemente der Bewegung in reiner Form vereint: radikale Härte ohne Entlastung, psychischen und physischen Terror, ein klares und beengtes Setting, starke weibliche Hauptfiguren und nachhaltigen Einfluss auf spätere Genreproduktionen.

Triggerwarnung
Messerangriffe, extreme Blutmengen, Gewalt gegen Schwangere, psychischer Terror.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬🎬🎬
Paradebeispiel für Spannung, Isolation und schonungslose Brutalität

Physische Härte:🩸🩸🩸🩸🩸
Sehr grafisch, kompromisslos blutig

Psychische Härte: 🧠🧠🧠
Intensiv, aber weniger emotional zerstörerisch


Irreversible

Bildquelle: TMDB

Irreversible von Gaspar Noé aus dem Jahre 2002 bedient Themen wie Rache, sexuelle Gewalt, Zeit und Unausweichlichkeit. Die Geschichte einer brutalen Vergewaltigung und der darauffolgenden Rache wird rückwärts erzählt, was den Schock und die Unausweichlichkeit des Geschehens verstärkt.
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Befürworter sehen ein formal wie emotional radikales Werk, Gegner werfen Noé vor, den Schock über die Substanz zu stellen. Formal radikal, emotional zerstörerisch, weltweit berüchtigt.
Er gilt als relevant, weil er die psychologische Härte der NFE auf ein Maximum treibt und mit seiner Erzählweise filmhistorisch einzigartig bleibt.
Mehr über Gaspar Noés Werke und Stil in meinem Artikel Gaspar Noé – Bilder aus der Hölle der Intimität.

Triggerwarnung
Langandauernde Vergewaltigungsszene, extreme Gewalt, Mord, visuell und akustisch verstörende Effekte.
Rückwärts erzählte Geschichte eines brutalen Überfalls, einer Vergewaltigung und der anschliessenden Rache.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬🎬🎬
International berüchtigt, technisch innovativ

Physische Härte:🩸🩸🩸
Wenige, aber harte Gewaltszenen

Psychische Härte: 🧠🧠🧠🧠🧠
Maximale psychische Härte durch Thematik


Frontière(s)

Bildquelle: TMDB

Frontière(s) von Xavier Gens aus dem Jahre 2007 bedient Themen wie politische Extremismen, Rassismus, Überlebenskampf und familiär verankerte Gewalt. Eine Gruppe junger Kleinkrimineller flieht nach einem missglückten Raub aus Paris und gerät auf dem Land in die Fänge einer degenerierten neonazistischen Familie, die sie gefangen nimmt und grausam foltert.
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Einige Kritiker lobten den Mut des Films, politischen Extremismus im Rahmen eines Splatter-Horrors so offen zu thematisieren, und sahen in ihm einen kompromisslosen Vertreter der NFE mit klarer Botschaft. Andere kritisierten ihn als überladen, plakativ und zu sehr auf Gewalt als Schockeffekt fixiert.
Er gilt als relevantes Werk, weil er die NFE um eine politisch aufgeladene Komponente bereichert, die im Genre selten so deutlich sichtbar ist, und dabei den Grenzbereich zwischen Kunst und Exploitation auslotet.

Triggerwarnung
Grafische Gewalt, Folterszenen, Rassismus, Neonazismus, psychischer Terror.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬🎬
Politisch aufgeladen, Grenzbereich zu Exploitation

Physische Härte:🩸🩸🩸🩸
Deutlicher Splatter, Folter

Psychische Härte: 🧠🧠🧠
Moderate psychische Härte


Haute Tension (High Tension)

Bildquelle: TMDB

Haute Tension von Alexandre Aja aus dem Jahre 2003 bedient Themen wie Freundschaft, Überleben, Home-Invasion und psychische Störungen.
Regisseur Alexandre Aja inszenierte später das Remake von The Hills Have Eyes (2006), das ich stärker finde als das Original von Wes Craven. Mehr dazu in meinen Artikeln Horrorfilme in der Wüste: Intensität, Seltenheit und Unterschiede und 6 Horrorfilm-Remakes, besser als das Original
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Befürworter loben die kompromisslose Härte und die hohe Spannung, Kritiker sehen im Twist ein schwaches Drehbuchmanöver, das die Logik opfert.
Der Film, der den französischen Extremhorror international ins Gespräch brachte. Er gilt als relevant, weil er die internationale Aufmerksamkeit auf die NFE lenkte und den Grundstein für den Export französischen Extremkinos legte.

Triggerwarnung
Enthauptungen, Blut, psychische Gewalt, sadistische Morde.
Zwei Studentinnen werden in einem abgelegenen Haus von einem Killer gejagt, bis ein Twist alles verändert.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬🎬
Politisch aufgeladen, Grenzbereich zu Exploitation

Physische Härte:🩸🩸🩸🩸
Deutlicher Splatter, Folter

Psychische Härte: 🧠🧠🧠
Moderate psychische Härte


Seul contre tous (Menschenfeind)

Bildquelle: TMDB

Seul contre tous von Gaspar Noé aus dem Jahre 1998 bedient Themen wie Misogynie, soziale Isolation, Gewaltfantasien und moralischen Zerfall.
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Gelobt für seine kompromisslose Charakterstudie und die schonungslose Darstellung einer zutiefst unsympathischen Hauptfigur. Kritisiert wegen seiner Provokationen und des moralischen Nihilismus.
Kein Splatter, sondern ein verstörendes Psychogramm. Er gilt als relevant, weil er die kompromisslose, tabubrechende Haltung der NFE schon vor ihrem eigentlichen Boom vorwegnimmt. Im Mainstream ist der Film jedoch weit weniger bekannt als andere Werke der Bewegung.
Mehr über Noé in meinem Artikel Gaspar Noé – Bilder aus der Hölle der Intimität.

Triggerwarnung
Sexuelle Gewalt (thematisiert, nicht explizit gezeigt), rassistische und misogyne Sprache, Tierquälerei, psychische Gewalt.
Ein ehemaliger Pferdemetzger lebt nach einer Haftstrafe in Armut und entwickelt immer radikalere Fantasien von Gewalt und Rache.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬🎬
Frühes radikales Beispiel, psychologisch brutal

Physische Härte:🩸🩸
Kaum grafische Gewalt

Psychische Härte: 🧠🧠🧠🧠🧠
Moralisch und psychisch extrem belastend


Baise-moi

Bildquelle: TMDB

Baise-moi von Virginie Despentes und Coralie Trinh Thi aus dem Jahre 2000 bedient Themen wie sexuelle Gewalt, Trauma, Rache und weibliche Selbstermächtigung.
letterboxd

Reaktionen der Kritik
Von Teilen der feministischen Bewegung gefeiert als radikaler Gegenentwurf zum männlich dominierten Exploitationkino, von anderen Feminist:Innen dagegen abgelehnt, weil der Film sexualisierte Gewalt explizit zeigt und Pornografie-Elemente nutzt. [ResearchGate]
In Frankreich löste er juristische Auseinandersetzungen aus, als die rechtsextreme Lobbygruppe Promouvoir [The Guardian, ScreenDaily] eine X-Freigabe erzwang, die einem Kinoverbot gleichkam.
Ikonischer Skandalfilm. Er gilt als relevant, weil er tabulos weibliche Gewaltfantasien ins Zentrum stellt und damit in der NFE einen Sonderstatus einnimmt. Trotz seines hohen Stellenwerts innerhalb der Szene ist Baise-moi im internationalen Mainstream deutlich weniger bekannt, da Zensur und rechtliche Einschränkungen seine Verbreitung stark limitierten.

Triggerwarnung
Expliziter Sex, realistisch dargestellte Vergewaltigung, extreme Gewalt, Mord.
Zwei Frauen, beide Opfer sexueller Gewalt, begeben sich auf einen blutigen Rachefeldzug quer durch Frankreich, wobei sie Sex und Gewalt offen und unzensiert leben.

Bewertung

Relevanz: 🎬🎬🎬
Ikonischer Skandalfilm, stark umstritten

Physische Härte:🩸🩸🩸
Expliziter Sex und Gewalt

Psychische Härte: 🧠🧠🧠🧠🧠
Provokativ, aber weniger nachhaltig zerstörerisch


Weitere Filme der New French Extremity

Nicht jedes Werk aus dieser Bewegung hat es in die Hauptliste geschafft. Manche waren zu nischig, andere zu zahm, wieder andere haben einfach nicht genug Wellen geschlagen. Sie verdienen trotzdem eine kurze Erwähnung, als Kuriositäten, Geheimtipps oder einfach als Beweis, dass auch die NFE ihre B-Seiten hatte.

Trouble Every Day (2001, Claire Denis)
Arthouse mit Vampirismus und Kannibalismus. Stilvoll wie ein französisches Modemagazin, aber in der NFE-Diskussion eher Randfigur.

Sheitan (2006, Kim Chapiron)
Schwarze Komödie trifft Psychothriller. Brutal, seltsam und mit Vincent Cassel in einer seiner durchgeknalltesten Rollen, aber tonal so wacklig wie ein französischer Rotwein nach der dritten Flasche.

Calvaire (2004, Fabrice Du Welz)
Belgischer Albtraum mit maximaler psychologischer Belastung. Qualitativ stark, doch ausserhalb der frankophonen Welt weniger wahrgenommen und nicht stilprägend genug.

Mutants (2009, David Morlet)
Postapokalyptischer Zombiefilm mit Body-Horror. Solide gemacht, aber im Vergleich zu den Spitzenreitern so konventionell, dass er fast wie ein Sonntagsfilm wirkt.


Rand- und Spätwerke der New French Extremity

Die NFE-Phase wird meist zwischen Ende der 1990er-Jahre und etwa 2010 verortet. Dennoch gibt es Filme, die den Geist der Bewegung tragen, aber zeitlich oder stilistisch ausserhalb des Kerns liegen. Einige sind Vorläufer, andere späte Nachhallwerke, die ihre eigene Spur in der Filmgeschichte hinterlassen haben.

Climax (2018, Gaspar Noé)
Später Noé-Schocktrip über eine Tanzgruppe, deren Afterparty in einem LSD-Albtraum endet. Visuell radikal, psychologisch belastend, aber weniger grafische Gewalt als die NFE-Spitzenwerke.

Them (Ils) (2006, David Moreau, Xavier Palud)
Reduzierter Home-Invasion-Thriller mit nervenzerreissender Spannung und minimalem Splatter. Am Rand der NFE, aber in seiner Intensität nah dran.

Raw (2016, Julia Ducournau)
Coming-of-Age mit Kannibalismus und Body-Horror. Kam nach der Kernphase, gilt jedoch als spiritueller Erbe der Bewegung.
Mehr zu Julia Ducournau findest du in meinem Artikel Körper, Kontrolle, Katharsis: Das Kino der Julia Ducournau.

Titane (2021, Julia Ducournau)
Körperhorror der 2020er, Gewinnerin der Goldenen Palme. Radikal in Themen und Bildern, aber weit ausserhalb der NFE-Zeit.
Mehr zu Julia Ducournau findest du in meinem Artikel Körper, Kontrolle, Katharsis: Das Kino der Julia Ducournau.

Pola X (1999, Leos Carax)
Düsteres Arthouse-Drama mit expliziten Szenen. Wurde von James Quandt in seiner Ursprungsliste erwähnt, steht aber am Rand der Bewegung.

Enter the Void (2009, Gaspar Noé)
Psychedelisches Arthouse über Tod, Wiedergeburt und die Unterwelt Tokios. Formal extrem, aber kaum physische Gewalt.


Fazit

Die New French Extremity bleibt ein Ausnahmephänomen, das sich zwischen Kunst und Verstörung bewegt. Ihre Filme verweigern Kompromisse, testen Grenzen aus und zwingen den Zuschauer, sich mit Gewalt, Sexualität und den dunkelsten Abgründen menschlicher Existenz auseinanderzusetzen.

Ich für meinen Teil liebe dieses Spiel zwischen Gewalt und psychologischer Tiefe. Mir ist aber absolut bewusst, dass keiner dieser Filme massentauglich ist. Die Grenzerfahrung ist oft mit schwierigen Themen verbunden und kann unter Umständen retraumatisieren. Wer sich trotzdem auf New French Extremity Filme einlässt, bekommt Kino, das seine Spuren hinterlässt und so schnell nicht vergessen geht.

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