Einleitung
Dieser Artikel behandelt nicht einen Horrorfilm, sondern eine utopische Idee aus dem The Purge-Franchise, die von der Realität eingeholt wird. Die Filmreihe zeigt eine Nacht ohne Gesetze, in der alle Verbrechen bis hin zu Mord straffrei bleiben. Die Regierung verkauft das als Ventil für Aggressionen und als Mittel zur Stabilisierung der Gesellschaft. Doch in Wahrheit dient es der Kontrolle und der Eliminierung der Schwächsten.
Donald Trump greift in Reden Bilder auf, die frappierend an dieses Prinzip erinnern. In Erie, Pennsylvania, sagt er: „one really violent day … one rough hour … and I mean real rough“. Damit wird deutlich, wie nahe seine Ideen und seine Politik der dystopischen Realität von The Purge sind.
Quellen: AP, Firstpost, MSNBC
Die Logik der Purge
Im Film ist die Gewalt keine Reinigung, sondern ein Mittel zur Machtsicherung. Die New Founding Fathers of America nutzen die jährliche Gewaltorgie, um Armut zu bekämpfen, nicht durch Hilfe, sondern indem die Schwachen schlicht eliminiert werden. Wer nicht stark ist, hat keinen Platz. Symbolisch ist das Ganze ein Ritual, das gesellschaftliche Spaltung auf die Spitze treibt.
Besonders perfide ist, dass die Regierung nicht selbst Hand anlegt. Sie tötet nicht direkt, sondern gibt den Bürgern für eine Nacht die Erlaubnis, ungestraft Gewalt auszuüben. Damit wird die sogenannte Reinigung nach unten delegiert. Der Staat wahrt scheinbar saubere Hände, während die Bevölkerung gegeneinander aufgehetzt wird und sich selbst dezimiert. Genau darin liegt die eigentliche Strategie: Die Verantwortung für das Morden wird auf die Gesellschaft abgewälzt, während die Elite profitiert.
Trumps Gewaltspirale und The Purge
Die Parallele zur Trump-Regierung liegt auf der Hand. Auch hier führt der Staat nicht immer selbst Gewalt aus, sondern schürt sie durch Rhetorik und gezielte Botschaften an die eigene Basis. Trumps Worte, seine Tweets und Wahlkampfreden wirken wie ein Freipass für Aggression.
Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zeigt exemplarisch, wie Gewalt nach unten delegiert wird. Der Präsident selbst greift nicht ein, sondern lässt seine Anhänger handeln. In seiner zweiten Amtszeit begnadigt er dann auch all jene, die an diesem Angriff beteiligt waren, darunter viele, die Polizisten mit extremer Brutalität attackiert hatten. Statt die Polizei zu unterstützen, rügt Trump deren Arbeit.
In einem Interview bezeichnet er die Angriffe auf Beamte als „very minor incidents“, also sehr kleine Zwischenfälle. Gleichzeitig rechtfertigt er seine Begnadigungen mit den Worten: „Most of the people were absolutely innocent … these people have served, horribly, a long time.“
Damit sendet er ein fatales Signal. Wer Gewalt im Namen Trumps ausübt, darf mit Nachsicht und Schutz rechnen. Die Gewaltspirale verschärft sich und wird bewusst angeheizt, während er politisches Kapital daraus zieht.
Quellen: Le Monde, Sky News, ZDF Heute, ABC News
Trumps Worte in Erie
Trumps Forderung nach einem harten, zeitlich konzentrierten Schlag gegen Kriminalität klingt wie ein direkter Verweis auf die Purge. Auch wenn er es als Provokation verkauft, normalisiert er Gewalt als politisches Werkzeug.
Parallelen zwischen Trump und The Purge
Die Parallelen zwischen Trump und The Purge sind offensichtlich. Während im Film Gewalt auf eine einzige Nacht begrenzt wird, ist die Realität in den USA entgrenzt. Gewaltspiralen verstärken sich von Tag zu Tag. Trumps Rhetorik beschleunigt diese Entwicklung. Dazu kommt die Vorstellung staatlich legitimierter Härte, etwa durch den massiven Einsatz von Behörden wie ICE, die mit besonderer Aggressivität gegen Migranten vorgeht und sich dabei weder ausweisen, noch erkennbar zeigen muss. Der Schutz hinter Masken macht es beinahe unmöglich, diese amerikanische Gestapo zu identifizieren. [The Hill]
Betroffen sind vorwiegend die Schwächsten in der Gesellschaft, wie Arme, Migranten oder Minderheiten, die sich kaum wehren können. Und im Zentrum steht nicht die Einheit, sondern die bewusste Polarisierung, die die Gesellschaft in ein „wir gegen sie“ aufspaltet.
Realität in der Trump-Ära
Die Parallelen beschränken sich nicht auf Worte. Die Zero Tolerance-Politik an der Grenze trennt Familien. Gewalt gegen Demonstrierende wird verharmlost. Und der Angriff auf das Kapitol beweist, wie Rhetorik in reale Gewalt übergeht. Auch ohne offizielle Purge Night spiegelt die US-Politik heute die gleiche Logik. Gewalt ist legitim, solange sie der eigenen Macht dient.
Charlie Kirk und die Ausweitung der Purge-Metapher
Das Attentat auf den rechtspopulistischen Aktivisten Charlie Kirk verschärft die Spirale zusätzlich. Obwohl die genauen Umstände weiterhin unklar und von widersprüchlichen Informationen geprägt sind, nutzen führende Republikaner und rechte Kommentatoren den Vorfall sofort, um eine Hetzjagd gegen linke Bewegungen und NGOs zu fordern. Vizepräsident J. D. Vance und Berater Stephen Miller sprechen offen davon, linke Organisationen auszuschalten und eine organisierte Strategie gegen linke Gewalt einzuleiten. Kirks Tod wird instrumentalisiert, um die konservative Basis zu mobilisieren und ihn zum Märtyrer zu verklären.
Besonders ironisch wirkt dies im Licht seiner eigenen Aussagen. Charlie Kirk erklärte bei einem TPUSA-Event im April 2023:
„I think it’s worth it … some gun deaths every single year so that we can have the Second Amendment to protect our other God-given rights.“
Charlie Kirk
Ein Mann, der solche Gewalt rechtfertigt, wird selbst Opfer einer Schusswaffe. Ihn nachträglich als Symbol der verfolgten Rechten zu verklären, verschleiert diese Realität. Genau diese Umdeutung von Tätern und Opfern ist ein Mechanismus, den man auch aus The Purge kennt. Gewalt wird moralisch umgedeutet und als notwendiger Akt gegen die Feinde verkauft.
Gleichzeitig ist die Tötung von Kirk jeglicher demokratischen Grundlage widersprechend und kann nicht gutgeheissen werden. Gerade weil sie untragbar ist, zeigt ihr Vorkommen eindrücklich, wohin eine fortschreitende Polarisierung führt: Zu einer Normalisierung von Hass, Entmenschlichung und letztlich zu realer Gewalt. Kirk selbst hatte mit seiner Rhetorik seinen Teil zu dieser Verrohung beigesteuert.
Brian Kilmeade und gefährliche Aussagen im TV
Brian Kilmeade, Co-Moderator bei Fox & Friends, trägt mit seinen Aussagen aktiv zur Eskalation bei. In einer Sendung regte er an, obdachlosen Menschen mit psychischen Erkrankungen notfalls eine „involuntary lethal injection“ zu verabreichen und sagte wörtlich: „Just kill them“.
Später entschuldigte er sich öffentlich und nannte seine Worte extrem gefühllos. Doch die Entschuldigung greift zu kurz. Die entscheidende Frage lautet: Welche erwachsene Person, zumal ein ausgebildeter Journalist, lässt sich zu einer solchen Aussage im Live TV hinreissen? Solche Worte kommen nicht aus dem Nichts. Sie zeigen ein Gedankengut, das bereits vorhanden ist. Andernfalls wäre es kaum möglich, sich in diesem Tonfall zu äussern. Genau das macht die Aussage so gefährlich. Sie offenbart eine Geisteshaltung, die Gewalt als akzeptable Option betrachtet, und das nicht in einem anonymen Kommentar im Internet, sondern vor laufender Kamera im grössten konservativen TV-Netzwerk der USA.
Matt Walsh und die Sprache der Vernichtung
Matt Walsh, rechtsextremer Kommentator und Host der Matt Walsh Show, liefert unzählige Beispiele dafür, wie Sprache Gewalt normalisiert und vorbereitet. In seinen öffentlichen Auftritten überschreitet er bewusst die Grenze zwischen Meinung und direkter Gewaltverherrlichung.
In einem X-Post erklärt er: «Das war linker LGBTQ-Terrorismus. Daran gab es nie grosse Zweifel. Jetzt gibt es überhaupt keine mehr. Alle linken Terrornetzwerke müssen zerschlagen werden. Alle Terroristen und ihre Helfer und Geldgeber müssen verhaftet, strafrechtlich verfolgt und hingerichtet werden.»
Damit fordert er nicht weniger als Todesstrafen für politische Gegner und ihre Unterstützer. In einem weiteren Beitrag schreibt er, linke Gewalt sei «die grösste terroristische Bedrohung, der die Amerikaner ausgesetzt sind» und müsse aktiv «zerlegt und zerkleinert» werden. Solche Formulierungen sind nicht einfach Provokationen, sondern klare Gewaltaufrufe, die die Gegner entmenschlichen und deren Vernichtung propagieren.


Diese Rhetorik passt exakt in die Logik von The Purge. Auch dort werden ganze Gruppen pauschal als Bedrohung markiert, deren Eliminierung nicht nur erlaubt, sondern regelrecht gefördert. Walsh radikalisiert diesen Gedanken, indem er linke Bewegungen und die LGBT-Community als Terrornetzwerke darstellt, die angeblich nur mit totaler Vernichtung aufgehalten werden können.
Zusätzlich verbreitet Walsh gezielt Desinformation über Trans-Personen. Er behauptet etwa, in US-Kliniken würden Minderjährige «verstümmelt» und «kastriert». Auch in seinem Buch Johnny the Walrus stellt er Trans-Identität diffamierend als Einbildung auf dem Niveau eines Kindes dar, das glaubt, ein Tier zu sein. Diese gezielte Dämonisierung verstärkt die Polarisierung und öffnet die Tür für Gewalt gegen ohnehin marginalisierte Gruppen.
Fazit
The Purge ist Fiktion, aber die Mechanismen prägen längst die Realität in den USA. Gewalt wird rhetorisch legitimiert, nach unten delegiert und gezielt gegen Schwächere oder Gegner gerichtet. Trump, Kirk, Kilmeade und Walsh zeigen exemplarisch, wie sich diese Dynamik verschärft.
Die entscheidende Lehre: Gewalt in der politischen Sprache muss klar benannt und geächtet werden. Institutionen und Medien tragen Verantwortung, denn jede Bagatellisierung senkt die Hemmschwelle für reale Gewalt.
Gleichzeitig ist die Entmenschlichung des politischen Gegners kein neues Phänomen. Sie gehört seit Jahrzehnten zur Rhetorik beider Parteien in den USA. Die Sprache ist oft von Kriegsbildern geprägt, die Auseinandersetzungen als Schlachten darstellen und Gegner als existenzielle Bedrohung zeichnen. In Reden ist das biblische Bild von Gut gegen Böse fast ständig präsent. Dieses Muster verstärkt die Spaltung und macht es umso leichter, Gewalt nicht nur zu denken, sondern auch auszuüben.
Neu ist jedoch, dass sich diese Rhetorik in einem völlig eskalierenden Bild zeigt. Die Sprache des heutigen politischen Diskurses hebt sich von früherer Härte ab, weil sie offen mit Gewalt, mit Vernichtung und mit apokalyptischen Szenarien operiert. Damit stellt sich die Frage, ob der US-Präsident bewusst einen Bürgerkrieg provozieren will. Eine solche Entwicklung wäre nicht nur eine Gefahr für die Stabilität der amerikanischen Gesellschaft, sondern auch für die Stabilität der Welt.