Es gibt Horrorfilme, die einem Albträume bescheren. Und es gibt solche, die einfach nur Albträume sind. Für das Denkvermögen, den Filmgeschmack und das Zeitmanagement. Filme, die so leer, so peinlich selbstverliebt oder so unfassbar unfähig gemacht sind, dass man während der Sichtung gleich dreimal stirbt: einmal vor Langeweile, einmal vor Fremdscham und einmal innerlich.
Ich werde hier nicht die Elefanten im Raum besprechen und lasse die Sonderkategorie von Horrorfilmen aus, welche sich ausschliesslich auf den Shock Value verlassen und moralisch wie künstlerisch absoluter Schmutz sind. Filme wie A Serbian Film, Green Elephant, Guinea Pig oder die völlig kaputten Filme aus der digitalen Kloake von Dora und Valentine Lucifer. Diese Machwerke gehören für mich nicht in die Horrorecke, sondern auf den Sondermüllhaufen kulturellen Versagens. Sie wollen nicht unterhalten, nicht provozieren, nicht erzählen. Sie wollen dem Publikum schlicht ins Gesicht kotzen und dabei den Anspruch erheben, besonders edgy zu sein.
Ich weiss, ich werde die folgenden Filme extrem schlechtreden, und ja, ich werde damit der einen oder anderen Person gehörig auf den Schlips treten. Aber das ist okay. Geschmäcker sind verschieden. Das hier ist mein persönliches Ventil. Eine Abrechnung mit Filmen, bei denen ich mir ernsthaft gewünscht habe, stattdessen einfach die Wand anzustarren und dem Verputz zuzusehen, wie er langsam Formen annimmt. Es ist mir unverständlich, wie Leute am Set nicht einfach «NEIN!» schreien konnten, um diese Filme zu verhindern.
Inhalt
Härtegrad-Skala
1 = harmlos (kaum Gewalt, wenig belastend)
2 = leicht (einige Schockmomente, minimale Gewalt)
3 = mittel (deutliche Gewalt, einzelne grafische Szenen)
4 = hart (explizite Gewalt, verstörende Inhalte)
5 = extrem (sehr grafische Gewalt, psychisch stark belastend)
Referenz für Härtegrad 5: Terrifier 2 (die Schlafzimmerszene)
Winnie the Pooh: Blood and Honey (2023)
Ein Public-Domain-Schnellschuss, der sich als «böser Märchenhorror» tarnt, aber in Wahrheit einfach nur dreist, faul und unverschämt billig ist. Die Masken sehen aus, als ob man diese kurz vor Drehbeginn noch in einem Karneval-Shop für 5 Dollar bezogen hätte. Die Kameraarbeit ist unterirdisch, und das Drehbuch hat vermutlich nie existiert. Dieser Film beleidigt nicht nur das Original, sondern auch jeden Menschen, der sich mit Geschichten Mühe gibt.
Wie es überhaupt so weit kam? Nun, Figuren wie Winnie the Pooh, Popeye oder auch Micky Maus stehen nach Ablauf des urheberrechtlichen Schutzes der Originalfassungen in der Public Domain zur Verfügung. Das heisst: Jeder darf damit machen, was er will, auch dann, wenn er weder Talent noch Idee hat. Willkommen im goldenen Zeitalter der oft fragwürdigen kreativen Neuinterpretationen …
Und als wäre das nicht schlimm genug, soll das Ganze der Auftakt zu einem ganzen «Twisted Childhood Universe» sein! Einem geplanten Franchise voller ähnlich liebloser Ausbeutung von Kindheitserinnerungen. Müll in Massen.
Härtegrad:
Deutliche Splatter-Szenen, aber eher simpel und schnell geschnitten
3 Demons (2022)
Ein Film, der sich anfühlt, als wäre er von einem Dämon geschrieben worden, der Menschen hasst. Die Story macht ungefähr so viel Sinn wie ein verschwommenes Traumtagebuch auf LSD. Ja, angeblich vollendet der Protagonist ungewollt ein Ritual, aber was genau erzählt werden soll, blieb für mich ein Mysterium. Das mag auch daran liegen, dass ich nach 15 Minuten mein Hirn auf Stand-by setzte.
Ich las zuvor, dass der Film «schwarzhumoristisch» sei. Ich kann mich nicht erinnern, auch nur ansatzweise ein Grinsen auf den Lippen gehabt zu haben. Die Schauspieler liefern Leistungen ab, bei denen man sich fragt, ob sie überhaupt wussten, dass sie in einem Film sind. Oder in welchem Jahr. Oder in welchem Genre.
Dazu kommt eine Kameraarbeit, die nicht hässlich, aber gänzlich ausdruckslos ist. Alles wirkt wie durch einen Instagram-Filter gefilmt, den man aus Versehen angelassen hat. Die Musik dudelt bedeutungsschwanger vor sich hin, ohne je eine Szene zu tragen. Der Film glaubt offenbar, dass kryptisch automatisch interessant ist. Ist er aber nicht. Er ist einfach nur anstrengend.
Härtegrad:
Mehr psychologisch, wenig explizite Gewalt
X (2022)
Jetzt wird es kontrovers. Vielleicht.
Die Indie-Horrorwelt liebt ihn. Ich nicht. X tut so, als wäre er ein tiefgründiger Meta-Kommentar über Sexualität, Tod und Filmgeschichte, ist aber in Wahrheit ein aufgeblasener Schönling von Film, der sich selbst gerne im Spiegel betrachtet. Mia Goth spielt gleich zwei Rollen (yay), was bedeutet, dass man doppelt so oft auf ihre starren, pseudo-tiefsinnigen Blicke schauen muss. Der ganze Film ist eine Übung in belangloser Selbstverliebtheit: Alles sieht aus wie 70er, aber fühlt sich an wie Hochglanz-Hipsterporno, ohne Schrecken, ohne irgendwas ausser Selbstinszenierung. Der «Horror»? Hauptsächlich der Gedanke, dass dieser Film eine Trilogie bekommen hat. Ich mochte keinen der drei Filme, konnte aber zumindest MaXXXine etwas abgewinnen. Die Bildsprache war ganz okay. Vielleicht struggle ich auch einfach zu sehr mit Mia Goth, welche in emotionalen Momenten ein gutes Final Girl sein kann, aber ansonsten so spannend ist, wie jemandem beim Falten eines Papiers zuzusehen. Man erwartet ein kreatives Origami, erhält zum Schluss aber nur einen 0815-Papierflieger.
Härtegrad:
Slasher-Gore, einzelne sehr blutige Momente, aber nicht so explizit wie Terrifier
Hager (2019)
Arthouse-Horror aus Deutschland und zwar in der Form, wie sie Leute schreiben, die an der HFF München beim Einreichen durchgefallen sind. Gewollt psychedelisch, gewollt unheimlich, am Ende aber nur gewollt. Man ertrinkt in überbelichteten Nahaufnahmen und bedeutungsschwangerem Geschwurbel, das jede Sekunde schreit: „Schau mal, wie tiefgründig ich bin!“ Spoiler: Bist du nicht.
Der Film hat auf Letterboxd eine Bewertung von 3.3/5. Genau das war der Grund, weshalb ich ihn mir überhaupt ansah. Am Ende dachte ich nur: Was zum Geier habe ich da gesehen!?
Dann schaue ich mir Das weisse Rauschen zum x-ten Male an und denke, dass man mit wenig Budget auch in Deutschland einen soliden Film abliefern kann. Hager zählt da bestimmt nicht dazu.
Härtegrad:
Beklemmend und düster, moderate Gewaltszenen
Mama (2013)
Del Toro gab höchstens seinen Namen für die Vermarktung her, aber wirklich am Film beteiligt schien er nicht zu sein. Mama ist wie ein Disneyfilm, der aus Versehen in die Horrorabteilung gerutscht ist, inklusive CGI-Geist, der vielleicht noch Gänsehaut bei einem sechsjährigen Ich auslösen könnte. Emotional manipulativ, harmlos bis zur Parodie und in etwa so gruselig wie die «Gespenster Geschichten»-Comics, die ich als Kind las. Der Film versucht, eine düstere Geschichte über Verlust und Mutterliebe zu erzählen, bleibt dabei aber so oberflächlich, dass selbst ein Wasserglas mit Komplexen tiefer wirkt. Wer hier echten Schrecken erwartet, wird mit Kuschelgrusel abgespeist.
Härtegrad:
Fast kein Gore, Fokus auf Grusel und Stimmung
Deinfluencer (2022)
Wenn ChatGPT Regie führt, hat man DeInfluencer. Eine Social-Media-Parodie ohne Biss, ohne Timing und ohne jede Daseinsberechtigung. Eine Influencerin wird entführt und soll moralisch geläutert werden. Leider passiert weder das eine noch das andere glaubwürdig. Zwar bemüht sich der Film um Wendungen und tiefere Motive hinter der Tat, doch was als psychologisches Spiel verkauft wird, entpuppt sich als aufgesetzte Dramaturgie mit durchschaubaren Aha-Momenten. Statt echter Spannung gibt es Theater-AG-Schauspiel und Dialoge, die wirken, als wären sie von einem Boomer für Gen-Z geschrieben worden.
Wer das Gefühl hat, das alles schon einmal gesehen zu haben, liegt nicht falsch. DeInfluencer wirkt wie ein algorithmisch zusammengewürfelter Mix aus Filmen wie Saw mit Moral durch Zwang, Hard Candy mit kammerspielhaften Machtspielen, Cam mit digitaler Identität als Konflikt und Unfriended, welcher medienkritischen Horror im Social-Media-Zeitalter behandelt. Nur fehlt hier jeder Funke Wirkung, Substanz oder Stil. Wer sich echte Medienkritik oder Spannung erhofft, bekommt stattdessen ein erschreckend leeres Echo besserer Vorbilder.
Härtegrad:
Einige schockierende Szenen, aber nicht exzessiv
Hypnotic (2021)
Ein Netflix-Horrorfilm mit dem klangvollen Namen eines Schlafmittels. Und selten war ein Titel so treffend. Hypnotic verspricht Spannung, Abgründe und psychologisches Spiel, liefert aber nur Leerlauf in Zeitlupe. Visuell und dramaturgisch bewegt sich der Film irgendwo zwischen Möbelhaus-Werbung und Pilotfolge einer gescheiterten Crime-Serie. Jeder Szenenwechsel kündigt Grosses an, doch nichts passiert. Statt Nervenkitzel gibt es dramaturgisches Sedativ.
Die Geschichte um Hypnose als Waffe hätte bedrohlich, verstörend oder zumindest atmosphärisch sein können. Stattdessen verläuft alles in blassem Fernsehgrau, unentschlossen zwischen Thriller und Einschlafhilfe. Nichts bleibt hängen, nichts überrascht, nichts verstört. Die einzige Wirkung ist ein tiefes, warmes Gähnen. Und das ist wahrscheinlich mehr, als der Film selbst über seine Protagonistin sagen kann.
Es gibt gute Gründe, abseits der Politik, weshalb ich kein Netflix-Abo mehr besitze. Filme wie dieser ist einer davon.
Härtegrad:
Thriller ohne nennenswerte Gewalt
Amer (2009)
Ach ja, Amer. Der Liebling all jener, die «ästhetisch» sagen, wenn sie eigentlich «unverständlich» meinen. Der Film wirkt wie ein 90-minütiger Tumblr-Bildband in Bewegung. Close-ups auf Haut, Augen, Messer, Farben, Lichtreflexe. Alles inszeniert mit demonstrativer Wichtigkeit, als würde jede Einstellung einem Konzeptalbum beiliegen. Inhaltlich bleibt nichts. Nur Hülle.
Plot? Fehlanzeige. Charaktere? Dekoration. Emotionale Relevanz? Nicht vorgesehen. Amer ist wie ein Giallo, der seine eigene Existenz aus der Perspektive einer Designerlampe betrachtet. Kein Thriller, kein Horror, sondern ein stilverliebtes Spektakel ohne Richtung, das sich für tiefgründig hält, weil es konsequent auf Sprache verzichtet und sich in Zeitlupe verliert.
Was besonders irritiert, ist der beinahe ehrfürchtige Ton, mit dem dieser Film im Feuilleton behandelt wird. Da ist plötzlich von filmischem Surrealismus die Rede, von der Dekonstruktion narrativer Struktur und vom Mut zur Reduktion. In Wahrheit ist es die gleiche Rhetorik, die auch Farbkleckse auf Leinwand zu existenziellen Statements erhebt. Wer widerspricht, gilt als zu stumpf für die feinen Zwischentöne.
Eines muss ich dem Film aber lassen. Ich habe ihn derart gehasst, dass ich mich nach dem Abspann mehr damit befasste als mit anderen Filmen dieser Liste. Nicht aus Faszination, sondern aus dem Wunsch heraus, mich selbst zu prüfen. Vielleicht habe ich ja einfach keinen Filmgeschmack. Vielleicht übersehe ich das vermeintliche Meisterwerk.
Laut Kritikern wie Edward Champion, Kim Newman oder Jonathan McCalmont handelt es sich bei Amer tatsächlich um ein Kunstwerk. Champion nennt ihn eine „Hommage mit psychologischer Tiefe“, Newman spricht von „visueller Wucht“, McCalmont zieht gar Parallelen zu Bergmans The Silence. Ich sehe einen Film, der sich hinter Stil versteckt, um nichts sagen zu müssen.
Härtegrad:
Künstlerisch, keine explizite Gewalt
Human Hibachi 2: Feast in the Forest (2023)
Wenn du dachtest, Found Footage geht nicht mehr tiefer, serviert dir dieser Film ein schlecht aufgelöstes Trauma. Gedreht wie auf einer vergessenen SD-Karte, mit Darstellern, die offenbar tatsächlich glauben, sie wären auf einem Grillfest gelandet. Der Gore ist billig, aber nicht auf die gute Art. Die Kamera wackelt, als ob der besoffene Onkel die Familienfeier filmte, und das alles ohne auch nur einen Anflug von Atmosphäre, Idee oder Aussage.
Was bleibt, ist der Versuch, mit maximalem Dilettantismus Tabus zu erzeugen. Ob das nun Kunst oder ein schlechter Scherz sein soll, bleibt unklar. Aber eines ist sicher. Man kann mit null Talent etwas Dreckiges drehen, das für gewisse Zielgruppen als «authentisch» durchgeht.
Es gibt allerdings auch Fans, obwohl ich mich frage, ob diese nicht einfach trollen. So gehen auf Letterboxd die Meinungen auseinander. Einige sprechen von Fortschritten gegenüber dem ersten Teil, mit etwas mehr Tempo und solideren Effekten, und vergeben drei von fünf Sternen. Andere nennen die Figuren nervig, die Effekte lächerlich und das Ganze schlicht unverständlich, mit Bewertungen zwischen einem halben und einem Stern. Ich gehöre definitiv zur zweiten Kategorie.
Härtegrad:
Extrem expliziter Gore, ähnlich in Intensität und Ekel-Fokus wie Terrifier
Anthropophagous aka Man Eater (1980)
Italo-Kult oder Italo-Katastrophe? Joe D’Amatos Anthropophagous ist einer dieser Filme, die man nur deshalb kennt, weil am Ende jemand einen Fötus frisst. Der Rest ist zäh wie Gummifleisch. Endlose Kamerafahrten durch leere Gänge, Dialoge mit Einschlafgarantie und ein Monster, das aussieht wie Gollum mit Hitzschlag.
Ja, es ist 1980. Aber auch damals war Langeweile kein Stilmittel. Was als schockierender Kultfilm gehandelt wird, ist in Wahrheit ein träger, holprig inszenierter Versuch, Tabubruch mit Spannung zu verwechseln. Wer ihn verteidigt, redet sich meist auf Atmosphäre und Pioniergeist heraus. Der einzige Reiz liegt im Skandalwert einer Szene, die man auf YouTube in zehn Sekunden gesehen hat. Und das kann wohl wirklich nicht der Anspruch an einen Horrorfilm sein. Wobei, ich vergass. Es gibt ja auch Meilensteine des Stumpfsinns wie A Serbian Film, Guinea Pig: Flower of Flesh and Blood oder Human Centipede 2.
Wer aber 90 Minuten geballte Langeweile an Film benötigt, um eine sogenannte Skandal-Szene zu schauen: feel free.
Härtegrad:
Explizite Eingeweide- und Fötusszene, für die Zeit sehr hart, aber weniger grafisch als Terrifier
Fazit
Diese Filme sind nicht zu hart, nicht zu experimentell, nicht zu radikal. Sie sind einfach nur schlecht. Nicht im Sinne von «gefällt mir nicht», sondern im Sinne von: «Wie zum Teufel konnte das passieren?»
Und wie konnte ein Teil dieser Filme gar Kultstatus oder eine Fanbasis erlangen? Wahrscheinlich derselbe Mechanismus, der auch für Flat-Earther, NFTs und Dosenbrot verantwortlich ist: Man weiss, es ist Unsinn, aber irgendjemand findet’s geil.